GVE-Sitzung 01-2016

Gemeindevertretersitzung vom 19. April 2016 im Bürgerzentrum Nieder-Ramstadt


Die erste Gemeindevertretersitzung einer Wahlperiode hat als sogenannte “konstituierende” Sitzung immer eine besondere Bedeutung. Es werden in der Regel “nur” Personen für verschiedene Gremien gewählt. Dabei spielen insbesondere die Wahl der oder des Vorsitzenden der Gemeindevertretung mit dessen Stellvertretern sowie die Besetzung des Gemeindevorstandes (ehrenamtliche Beigeordnete) durch die Gemeindevertretung eine besondere Rolle. Anders als etwa in der konstituierenden Sitzung zur vergangenen Wahlperiode im Jahr 2011 wurde am 19. April 2016 vor der Wahl der Beigeordneten aber zuvor noch über deren Zahl abgestimmt.

Im Vorfeld der Sitzung hatten die Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und Grünen nach eigenen Aussagen schon zahlreiche gemeinsame Gespräche geführt, zu denen die Oppositionsfraktionen von FUCHS, “Mühltalern”, FDP und Linken nicht geladen waren. CDU, SPD und Grüne hatten zuvor auch bereits gemeinsame Wahllisten erarbeitet und stimmten dann stets einheitlich ab.

Als Vorsitzenden der Gemeindevertretung wurde durch die Grünen der bisherige Amtsinhaber Rainer Steuernagel von der CDU vorgeschlagen. FUCHS benannte als Kandidaten Falko-Holger Ostertag von den “Mühltalern”. Er habe langjährige Parlamentserfahrung sowohl als Vertreter einer großen wie auch einer kleinen Fraktion. Es sei zudem in Mühltal bereits 2001 und 2006 guter demokratischer Brauch gewesen, das Amt des Vorsitzenden dem Mitglied einer Fraktion zuzugestehen, aus deren Reihen nicht auch der Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin komme. Daher entspreche es dem Prinzip der Fairness, in diese Funktion einen Oppositionsvertreter zu wählen. Vor allem aber sei das Wahlergebnis vom 6. März 2016 das Signal für einen Wechsel gewesen, dem durch die Wahl eines neuen Vorsitzenden gefolgt werden sollte. CDU, SPD und Grüne setzten ihren gemeinsamen Kandidaten Steuernagel mit 22 zu 15 Stimmen durch. Dieser teilte anschließend mit, durch neutrale Diskussionsleitung auch das Vertrauen derer erwerben zu wollen, die ihn nicht gewählt hätten.

Bislang war es in Mühltal Brauch, wie auch in anderen Parlamenten je einen Vertreter jeder Fraktion als Stellvertreter des Vorsitzenden der Gemeindevertretung zu wählen. In Mühltal gab es bisher fünf Stellvertreter. Die Opposition beantragte daher, sechs Stellvertreter zu wählen. Damit hätte mit Ausnahme der CDU, die ja bereits den Vorsitzenden stellte, jeder Fraktion ein Stellvertreter zukommen können. Dagegen beantragte die SPD, lediglich drei Stellvertreter zu wählen. So würde der Opposition aus FUCHS, “Mühltalern”, FDP und Linken zusammen nur ein Stellvertreter zukommen. Wären etwa zwei Stellvertreter zu wählen, hätten die regierenden CDU, SPD und Grüne gleichfalls nur einen Stellvertreter erhalten. Wäre etwa über vier Stellvertreter abzustimmen gewesen, hätten Regierende und Opposition jeweils zwei stellen können. Auch hier setzte die Koalition aus CDU, SPD und Grünen ihre Vorstellung mit 22:15 Stimmen durch.

Zur letztlich durch die Mehrheitsfraktionen von CDU, SPD und Grünen bestimmten Zahl der Beigeordneten gab es im Vorfeld zwar zahlreiche Gerüchte, aber keine sicheren Hinweise, wie hoch diese sein sollte. Die Opposition konnte sich also nicht wie CDU, SPD und Grüne auf eine sichere Zahl der von ihr zu entsendenden Vertreter einstellen. Von der Zahl dieser Vertreter hängt naturgemäß auch deren Benennung ab. Denn wenn weniger Beigeordnete gestellt werden, fällt die Auswahl eher auf Generalisten, die ein breites Themenfeld besetzen. Werden mehr Vertreter entsandt, sollten diese auch Spezialkenntnisse haben. Die Opposition erfuhr erst in der Sitzung selbst, ob sie in der Summe etwa vier von neun oder etwa fünf von elf Beigeordneten stellen konnte. CDU, SPD und Grüne hatten sich aber bereits zuvor auf neun Beigeordnete verständigt und mit ihrer Mehrheit von 22:15 auch durchgesetzt.

Daher wurde aus der Opposition heraus beantragt, die Wahl der insgesamt neun Beigeordneten um mindestens eine Woche zu verschieben. Dadurch werde das aus der Demokratie heraus gebotene Prinzip der “Waffengleichheit” von Regierung und Opposition wieder hergestellt. Denn erst dann könne sich auch die Opposition vorab auf eine konkrete Zahl der von ihr zu stellenden Beigeordneten einstellen. Zwar ist der Vorsitzende einer Gemeindevertretung zu Unparteilichkeit verpflichtet und Steuernagel hatte unmittelbar zuvor noch betonte, neutral sein zu wollen. Dennoch bezog er zu diesem Antrag unverzüglich inhaltlich ablehnend selbst Stellung. Der Antrag auf Verschiebung der Wahl der Beigeordneten wurde dann mit der Mehrheit der Koalition von 22:15 abgelehnt.

Die anschließenden Wahlen von Mitgliedern etwa in den Abwasserverband bestätigten dieses Mehrheitsverhältnis. Die Tagesordnung wurde nicht vollständig behandelt, da die Sitzung gegen 22:45 Uhr beendet wurde. Die noch ausstehenden Wahlen sollen innerhalb der kommenden Gemeindevertretersitzung vollzogen werden.

Kommentar:

CDU, SPD und Grüne haben bei der Kommunalwahl vom 6. März zusammen knapp 24 Prozentpunkte verloren. Die Verarbeitung dieses desaströsen Ergebnisses ist leider ein unbedingtes Weiter-so. Versäumnisse werden nicht bei sich selbst gesucht. Stattdessen halten die drei Verlierer zusammen und versuchen, die enorm gestärkte Opposition soweit es eben irgendwie geht selbst von im Prinzip völlig unwichtigen Pöstchen fernzuhalten. Das ist kein Zeichen von Stärke, sondern ein sicherer Hinweis auf mangelnde Souveränität und ein ausbaufähiges Demokratieverständnis.

Es schien, als käme der Zwischenruf eines Vertreters von FUCHS für den Vorsitzenden Steuernagel wie gerufen. Endlich konnte er durch einen Ordnungsruf belegen, dass sich die Opposition daneben benimmt. Dabei vergaß er aber nicht nur, dass der Zwischenruf während der Rede eines anderen FUCHS-Vertreters erfolgte, sondern vor allem auch, dass der Zwischenruf lediglich die Reaktion auf einen vorangegangenen Zwischenruf eines CDU-Vertreters war. Dieser hatte den Schluss der Rednerliste gefordert, obwohl die Diskussion kaum gestartet war. Der Vorsitzende akzeptierte dies unverzüglich, was wiederum der FUCHS-Vertreter mit dem ablehnenden Zwischenruf quittierte.

Steuernagels Rolle war nicht die des Förderers eines demokratischen Diskurses. Das wäre seine Aufgabe gewesen. Zwar kann auch ein Vorsitzender an einer Diskussion teilnehmen. Zuvor muss er aber den Vorsitz kurzfristig einem Stellvertreter übergeben. Rainer Steuernagel tat dies nicht. Er übte sich vielmehr darin, eine ihm offenkundig unangenehme Diskussion bereits im Keim zu ersticken. Ordnungsrufe sind nun einmal nur Nebenkriegsschauplätze, die ein souveräner Diskussionsleiter aber der Fairness halber auch dann eröffnet, wenn er damit die eigenen Leute trifft. Auch dafür hätte es Gelegenheiten gegeben.

Christoph Zwickler

Niederschrift/Protokoll der Sitzung

Niederschrift 01/2016

Agenda der Sitzung

Einladung zur Sitzung 01/2016 der Gemeindevertretung am 19.04.2016